.. was ganz sicher auch eine typisch deutsche Verhaltensweise ist, sich nämlich über Leute aufzuregen, deren Denken oder Verhalten man nicht nachvollziehen kann. Aber ich hab auch nie behauptet, nicht deutsch bzw. normal im Kopf zu sein.
Vielleicht sind die hier angesprochenen Verhaltensweisen auch gar nicht NUR typisch für Teutonen, aber Angehörige anderer Nationen haben es mir des Öfteren bestätigt. Es geht um den offenbar typisch deutschen Zwang zur Ordnung, und zwar zu der Art Ordnung, die zwar aussieht wie Ordnung, aber in Wirklichkeit keine ist.
Reißverschlussprinzip nicht durchsetzbar, weil komplett undeutsch
Sich bei Autobahn-Fahrbahnreduzierungen im Reißverschlussprinzip einzufädeln ist eine 100%-logische Sache, weil das die effizienteste Methode ist, den Verkehr den Umständen entsprechend am effektivsten weiter fließen zu lassen. Das wäre die EIGENTLICHE Ordnung.
Aber Sie wissen ja, wie es ist: Der deutsche Autofahrer fährt NICHT BIS zum Hindernis und fädelt sich DANN ein, so wie es am logischsten wäre – nein, er wechselt die Spur schon, sobald er die Fahrbahnreduzierung aus 5 Kilometer Entfernung sieht. Damit der Stau auf der Spur ohne Hindernis möglichst früh anfängt!
Das tut er u.a. auch deshalb, weil er aus Erfahrung weiß, dass seine Autofahrerkollegen hinsichtlich des Einfädeln-Lassens immer intoleranter werden, je näher das Hindernis rückt, nach dem Motto „Jetzt willst di reinschleichen, Burschi? Na, des hätt’s dir früher überlegn kenna!“.
Was den deutschen Autofahrer so anfrisst, ist, dass derjenige, der vernünftigerweise bis zum Hindernis vorfährt und sich dann einfädeln will, dann ja VOR dem teutonischen Deppen ist, der sich 5 Kilometer vorher „in weiser Vorraussicht“ schon eingefädelt hatte. Das ist der Grund, warum das Reißverschlussprinzip auf teutschem Territorium NIEMALS funktionieren wird.
EINE bestimmte Sache kann nur EINEM Zweck dienen
… z.B. das Warten im Wartezimmer der Arztpraxis. Zweck des Wartens im Wartezimmer ist das Warten. Steht ja schon dran: „Wartezimmer“! Heißt ja nicht „Nehmen Sie ein Buch mit und nutzen Sie die Zeit zum Lesen“-Zimmer. Es erstaunt mich JEDESMAL, dass ich der EINZIGE bin, der im Wartezimmer was zum Lesen dabei hat. Alle anderen tun wortwörtlich das, was an der Tür steht: setzen sich hin und – warten. Aber ich bin auch leicht erstaunbar.
Die Geschichte mit den Toiletten im Zug hatte ich ja schon erzählt. Das gleiche Prinzip.
Auch immer wieder schön: Menschen, die vor einer defekten Rolltreppe zurückweichen wie vor einem brüllenden Tiger, um dann – eine Treppe zu benutzen. Falls Sie in einer Stadt mit U-Bahn-System leben, kennen Sie das sicher. Sie bewegen sich in der Masse der vom Tagwerk erschöpften Mit-Lohnsklaven aus dem U-Bahn-Zug auf den Ausgang zu, der in den meisten Fällen aus einer Rolltreppe und einer normalen Treppe besteht.
Treppe ist ja nicht gleich Treppe
Wir reden hier nicht von solchen Uralt-U-Bahn-Systemen wie in Paris, London oder Wien, wo das Erklimmen dieser endlos scheinenden Aufwärtstreppen einer Gipfelbesteigung gleichkommt, weil die U-Bahn-Erbauer vor 100 Jahren noch dachten, dass die Bahn schneller fährt, je tiefer wir sie in die Erde buddeln. Was, wenn man die Erdkrümmung bedenkt, gar kein so absurder Gedanke ist. *unsinnig abschweif*
Nein, wir reden hier von Treppen, die auch unsere älteren Mitbürger konditionsmäßig nicht überfordern dürften. 2 oder 3 Dutzend Stufen. Aber wenn die Masse der Mit-Lohnsklaven das rote Licht am Rolltreppen-Aufgang sieht „Außer Betrieb“, dann spaltet sich diese Masse in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Verhaltensmustern.
A-Deutscher und B-Deutscher
Gruppe A: Weicht, wie beschrieben, vor einem Tiger zurück. D.h. müssen erstmal geistig die neue Versuchsanordnung verarbeiten, also alle folgenden Bewegungen in Zeitlupe. Sie gehen von der Rolltreppe, die eine Unterart der Gattung TREPPE ist, rückwärts weg, jedoch in einem besonderen geistigen Zustand. Der Anblick der roten Schrift „Außer Betrieb“ versetzt sie nämlich sofort in ein Parallel-Universum, in dem keine anderen Menschen mehr existieren als sie selbst. Insbesondere keine, die hinter ihnen stehen, und denen sie bei ihrem Zeitlupen-Fluchtversuch vor dem Raubtier namens „Treppe, die zwar nicht mehr rollt, aber immer noch eine TREPPE ist“ regelmäßig auf die Füße latschen. Um dann die TREPPE zu benutzen.
Gruppe B: Stampft auf der Aktivierungsplattform der defekten Rolltreppe herum, als hätte das normalerweise die Auswirkung, dass aus einem Rohr ein Leckerli fällt, aber leider nicht in der heutigen Testanordnung. Auch diese Optimisten befinden sich in jenem Parallel-Universum, denn auch sie gehen RÜCKWÄRTS von der Rolltreppe weg. Und auch sie benutzen dann die Steintreppe statt der Metalltreppe.
Muss ich das „Warum?“ noch formulieren?
Die Antwort lautet: Wenn eine Rolltreppe nicht „rollt“, kann man sie nicht als Treppe benutzen. Das geht einfach nicht, weil dafür ist sie nicht da. Wenn man eine stehengebliebene Rolltreppe einfach als Treppe benutzt, erwartet einen oben die deutsche Rolltreppenpolizei und stellt unangenehme Fragen.
Sie haben also die rote Schrift „Außer Betrieb“ zur Kenntnis genommen – und die Rolltreppe TROTZDEM benutzt? Wann in Ihrem Leben haben Sie den Entschluss gefasst, die deutsche Ordnung zu sabotieren?